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Was würde Petra Kelly dazu sagen?!

Ein Bündnis aus im Selbstverständnis linken oder links fühlenden Menschen hat sich aufgemacht, die Regierung zu kritisieren. Sowohl in Leipzig als auch in Berlin fanden „Montagsspaziergänge“ statt, die im Zeichen des wieder erwachten Protestwillens dieser Kräfte standen. Vor dem Berliner Parteisitz der Grünen trafen sich etwa 1000 Demonstranten, um den Transatlantikern und Misswirtschaftlern um Baerbock, Özdemir, Habeck & Co die Leviten zu lesen.

Das Rauschen im Blätterwald von TAZ bis Junge Welt kann man als ‚erheblich‘ und ‚wohlwollend‘ apostrophieren, anders als noch zur Woche der Demokratie Ende August. Dass ausgerechnet die TAZ mit dem Plakat „Was würde Petra Kelly dazu sagen“ titelte, zeigt die vage Ahnung dieses Urgesteins alternativer Printmedien, dass es die Grünen als sozial-ökologische, konsequent pazifistische und basisdemokratische Protestpartei schon lange nicht mehr gibt.

Auf der Kundgebung nahm man sich insbesondere der sozialen Fragen an. Das Gros waren rote kommunistische DKP- und Linke- Fahnen. Und ja, sie haben rumgeeiert, denn dass jemand gegen die Solidarität mit der Ukraine sein könnte und gegen Waffenlieferungen – das wollte offensichtlich kaum jemand klar sagen, so eine Augenzeugin. Seit Jahren vertreten viele Linke, nicht zuletzt Frau Wagenknecht, eher gewerkschaftliche Positionen, anstatt für einen demokratischen, und das meint wirtschaftsdemokratischen, Umbau der Gesellschaft zu kämpfen. Frei nach Tucholskyi: „Man tut wat for de Revolutzjon, aber man weeß janz jenau: Mit diese Partei kommt se nich.“1

Die TAZ, deren Mitarbeiter unlängst den Medienmarsch der Woche der Demokratie brav maskiert aus lichter Höhe beäugten, verortet pflichtbewusst gendernd „Verschwörungsideolog:innen“ in dem Aufmarsch, und jubelt: „Schwurbel-Unterwanderung abgewehrt“. Da ist von einer „verschwörungsideologischen Mahnwachenbewegung“ die Rede. Man hofiert „Antifa-Aktivist:innen“, die sich „heftige Wortgefechte“ „mit dem aus dem Querdenken-Umfeld zuzuordnenden Mitgliedern der Partei »die Basis« und der Gruppe der »Freien Linken«“ lieferte.

Die Junge Welt zitiert mit „hier ist kein Platz für Nazis!“ den Berliner Linke-Abgeordneten Ferat Kocak.2 Statista zählt in Deutschland etwa 13.000 „gewaltbereite Rechte“ (ca. 0,0155% der Bevölkerung).3 Die hatten offenbar wieder einmal besseres vor.

„Am Rande der Kundgebung wurden Anhänger der »Querdenker«-Partei Die Basis und der »Freien Linken«, die wiederholt gemeinsam mit der AfD auf die Straße gegangen sind, von Antifaschisten weggedrängt.“4, freut sich das ehemalige Jugendblatt der FDJ. Da bezeichnet die Freie Linke sich selbst als links, vertritt eindeutig linke Positionen und wird trotzdem in die rechte Ecke geframt. DerBasis ergeht es nicht besser. Wiederholt wurde die Partei, die sich nachweisbar überwiegend aus enttäuschen Wählern von grün bis links zusammensetzt (neben bisher völlig unpolitischen Menschen), als „rechtsextrem“ diskreditiert.

Der/die Linksbewegte ist für den Frieden, gegen den Krieg, gegen Rüstung, gegen Waffenlieferungen, natürlich gegen Spaltung, aber ohne die da. Als hätten die „Selbstgerechten“ (Wagenknecht) nichts gelernt aus der Geschichte: Immer wenn es der Reaktion gelang, den Widerstand von unten zu spalten, scheiterten die mit ihm verbundenen emanzipatorischen Kräfte. Erinnert sei an die Revolution von 1918/19, die die Spaltung der Arbeiterbewegung besiegelte. Erinnert sei an die „Sozialfaschismusthese“ deutscher Kommunisten und die Verweigerungshaltung der Weimarer SPD, die einen Hitler erst möglich gemacht haben. Erinnert sei im Gegensatz dazu an die französische Volksfrontbewegung unter Maurice Thorez, die mit der Regierung Léon Blum 1936 den Faschismus in Paris verhinderte.

Die Verlotterung und Barbarisierung des politischen Diskurses ist an einem Punkt angelangt, wo einzig die verteilten Etiketten durch selbsternannte Haltungsapostel zählen. Inhalte werden seit langem nicht mehr verhandelt, sondern völlig ausgeblendet. Ob solch fragmentierter Widerstandsressourcen knallen bei den Eliten und der mit ihnen verbandelten Politikerkaste jeden Abend die Champagnerkorken.

Von Campact e.V., nicht zu verwechseln mit „Compact“ des Berufsprovakateurs Jürgen Elsässer, bis „Aufstehen“, einer längst tot geglaubten Initiative linker Kräfte um Sarah Wagenknecht, gleichen sich die Forderungen gegen die Folgen der Politik der Regierigen und die damit verbundene Abwälzung ökonomischer Lasten auf das untere Drittel der Gesellschaft. „Keine Gasumlage für Krisengewinner!“5 oder „Heißer Herbst gegen soziale Kälte“6, so die unisono vorgetragenen Slogans der reanimierten Protestler. Dass die Verantwortlichen für Hochrüstung und Kriegstreiberei, für Verelendung und Armut der vermögensfernen Schichten die gleichen Politprofis sind, die seit zweieinhalb Jahren an der Corona-Saga mitstrickten und sich nicht scheuten, mit Wasserwerfern gegen friedliche Demonstranten vorzugehen, diesen Zusammenhang sehen unsere Salonlinken nicht.

So nimmt es nicht wunder, dass Harri Grünberg auf seine differenzierte Sicht, nicht jeder Maßnahmekritiker sei ein Nazi, auch Buhrufe und Pfiffe erntete. Dem ND gab er anschließend zu Protokoll: „Die Linkspartei erreicht doch schon lange nur noch ein linksliberales Milieu und nicht mehr die Supermarktkassiererin und den Paketboten, aber die sind besonders von der unsozialen Politik betroffen und die brauchen wir für einen Klassenkampf von unten.“7 Es wäre zu wünschen, dass sich diese Einsicht auch bei anderen Meinungsträgern der linken Restposten durchsetzte. Andernfalls bliebe der zaghafte Protest der wiedererwachten altlinken Friedensbewegten ein Sturm im Wasserglas.

Anmerkungen:

1 Tucholsky, Kurt: Deutschland, Deutschland unter anderem, Berlin 1957, S.266

2 https://www.jungewelt.de/artikel/434122.weder-putin-trolle-noch-nazis-f%C3%BCr-heizung-brot-und-frieden.html

3 https://de.statista.com/infografik/25082/anzahl-der-rechtsextremisten-in-deutschland/

4 jungewelt.de, ebenda

5 https://aktion.campact.de/handel-und-finanzen/gasumlage/teilnehmen

6 https://aufstehen.de/web/aktuelles/

7 https://www.nd-aktuell.de/artikel/1166716.heisser-herbst-tief-gespaltene-linke-protestiert-in-berlin.html

(Scotti)