
18. Oktober 2024 – Abgründe
Seit dem 13.10.2023 sitzt Dr. Reiner Fuellmich in Göttingen-Rosdorf in Untersuchungshaft. Die meisten Menschen wären längst nach einem Jahr staatlich legitimierter Folter gebrochen. Wer diesen Fall nicht von Anfang an verfolgt, glaubt vermutlich noch, dass es einen Rechtsstaat gibt. Worum es eigentlich geht, haben andere treffend zusammengefasst und auch der Angeklagte selbst.
Böse Menschen sehen in Reiner Fuellmich jemanden, der seine Taschen gefüllt habe und den nun mit Sicherheit eine gerechte Strafe erwartet. Und andere – ich zähle mich dazu – sind von seiner Unschuld überzeugt. Das Verfahren wird von einer Reihe von Absurditäten – beginnend bei seiner Entführung aus Mexiko bis zu seinen Untersuchungshaftbedingungen, die man nicht einmal einem Massenmörder oder anderem Gewaltverbrecher zumuten würde, wenn man nicht seine Legitimation als Mensch aufgibt, begleitet.
Reiner Fuellmich befindet sich seit seiner Inhaftierung im absoluten Digitalentzug (kein Internet, kein Computer, ja nicht einmal eine Schreibmaschine). Erlaubt sind nur drei Stunden Besuche pro Monat (!), das ist vielleicht am Anfang noch zu überstehen. Aber gar keine Möglichkeit zu haben, angerufen zu werden und selbst seine Anwälte nur zu vordefinierten Zeiten anrufen zu dürfen, wenn sich dann kein anderer Gefangener auf dem Flur aufhält, wo das Telefon installiert ist, würde mich zumindest bereits längst zermürbt haben. Er wird seit Juni durchgehend in Isolationshaft gehalten und betritt den Gerichtssaal trotz Handschellen und 4facher Bewachung im Gerichtssaal durch junge, für echte Arbeit unfähige Menschen und nach jedes Mal erfolgter perverser Leibesvisitation aller Körperöffnungen im Nacktzustand aufrecht.

Anfang Mai 2024 waren wir vor Ort in Göttingen-Rosdorf, vor dem idyllisch gelegenen Hochsicherheitsgefängnis, als einige Hundert Menschen zu seinem 66. Geburtstag versammelt und wir alle fest überzeugt waren, dass Reiner unsere Lieder und Glückwünsche gehört haben muss. Damals wussten wir nicht, dass man ihn da bereits in Einzelhaft fernab der Hörweite verbracht hatte. Nur die Insassen – sofern sie überhaupt zurechnungsfähig sind – und nicht eigentlich von den Psychiatrien dieses Landes verschmähte, schwerstgestörte und nicht zurechnungsfähige Patienten sind und daher gar nichts mitkriegen – und die dort arbeitenden Angestellten, die vom Staat für ihre perversen Taten bezahlt werden, wissen, was dort abgeht.
Und am 11.09.2024 erlebten wir mit dem 30. Verhandlungstag ein klassisches Beispiel für eine nicht mehr existente Rechtsprechung. Ich kann das Theater, was dort geboten wurde, höchstens eine Gerichts-Farce nennen.
Heute fand hier der 32. Verhandlungstag statt. Gerade nach den letzten Videobotschaften des Angeklagten und den Ermittlungen der echten Aufklärung, die vorrangig außerhalb des Gerichtsgebäudes stattfanden, war zu erwarten, dass es heute spannend werden könnte.
Bei besten Wetterbedingungen starten wir wieder um 04:26 Uhr vom Hauptbahnhof und sind diesmal absolut pünktlich um 06:50 Uhr in Göttingen. Nach einem Frühstück im Bahnhofscafé sind wir um 08:00 Uhr am Gericht, wo bereits etliche am Prozess Interessierte warten. Man kennt sich persönlich und aus den zahlreichen Videos diverser Prozessbeobachter. Wie beim Geburtstag im Mai ist eine meiner Patientinnen zugegen. Sie verbringt zwei Prozesstage hier in Göttingen.
Was ist eigentlich seit der letzten Veranstaltung am 11.09.2024 passiert? Ein Monat, in dem ich zumindest kurz im Urlaub in Schweden war und in dem mich die Arbeit im Hamsterlaufrad immer wieder überholt hat. Reiner Fuellmich, der für mich weiterhin der wichtigste Aufklärer der letzten Jahre ist, lebt derweil im erzwungenen Halteverbot und heute erfahren wir, welche Zustände in deutschen Gefängnissen herrschen und womit er live in den letzten 4 Wochen konfrontiert wurde.
Um 09:15 Uhr soll es losgehen. Alle Prozessbeobachter sind pünktlich, um 09:10 Uhr betritt Richter Schindler für ein paar Sekunden den Raum, zwei Minuten später erscheint Staatsanwalt Recha, der mit Salbengesicht ohne jede Mimik sogleich wieder ins Handy- und Computergespiele verfällt. Die Rechtsanwälte treffen nach 10 Uhr ein, zuletzt Dr. Miseré. Die Stimmung im Saal ist gut, Gespräche werden nicht unterbunden, man lernt sich kennen und tauscht Informationen aus.
Als Reiner heute 2 Stunden und 6 Minuten nach der eigentlich geplanten Eröffnung aus den Katakomben geholt wird, sehen wir einen deutlich gealterten Gefangenen, nicht mehr dankbar Energie durch uns Anwesende tankend wie vor 4 Wochen. Um 11:21 Uhr eröffnet der Richter die Sitzung, indem er ansagt, dass die Verteidigung zur Beweisaufnahme Unterlagen gesandt hätte, die als Anlage Nr. 1 zum Protokoll zugefügt werden. Um 11:22 Uhr zieht man sich zum Selbstleseverfahren zurück. Ich könnte platzen vor Wut, wie diese überbezahlten Staatsangestellten unserer aller Zeit verschwenden. Hätten diese „Fachkräfte“ nicht die ersten zwei Stunden dazu nutzen können? Ich beobachte in der erzwungenen Pause den Saal. Vier Justizangestellte bewachen Reiner. Was hat er verbrochen und wurde schon einmal zuvor in der deutschen Justizgeschichte jemand wegen eines vergleichbaren Deliktes (so es denn überhaupt eines gibt) so misshandelt bzw. gefoltert? Um 11:34 Uhr kommen die Richter und Schöffen zurück und es wird angekündigt, dass RA Siemund ebenfalls einen Antrag eingereicht hat, der als Anlage 2 benannt wird. Dr. Miseré kündigt eine Einlassung mit Erklärung zu den Haftbedingungen von Reiner Fuellmich an. Eigentlich möchte der Richter so etwas natürlich gar nicht zulassen, aber Dr. Miseré lässt sich nicht aufhalten und konfrontiert den Richter mit der Androhung, eine Strafanzeige gegen ihn bereits vorbereitet zu haben. Die Kammer zieht sich kurz zurück und erlaubt Dr. Miseré und dem Angeklagten selbst die Möglichkeit der Ansprache, natürlich erst nach der Mittagspause.
In den folgenden Zeilen überlege ich mir genau, ob ich darüber schreiben soll oder nicht. Aber am Ende bin ich so erzürnt darüber, dass ich es nicht verheimlichen kann. Die in einem offenen Regal deponierten Rucksäcke und Handtaschen, zu denen der Zuhörer während der Verhandlung keinen Zugang hat, müssen ohne unsere Anwesenheit gefilzt worden sein. Unsere beiden Taschen finden wir nach dem ersten Teil unseres Aufenthaltes im Gerichtssaal durchwühlt vor. Reißverschlüsse sind offen, die vorher geschlossen waren. Dinge liegen anders in der Tasche als bei der Abgabe. Wer von den gelangweilten 5-6 Justizangestellten von der Personenkontrolle war das? Teilweise erlebte ich die Kontrollen als sehr übergriffig, insbesondere von einer besonders rabiaten Frau, die auch gut in einem SM-Studio ihr Geld verdienen könnte. Ist es rechtens, dass ohne unsere Anwesenheit die Sachen durchstöbert werden? Es kann auch passiert sein, während wir mit dem Rücken zur Tasche abgetastet wurden. Ich bin perplex und weiß, dass ich sowieso keine Chance hätte, das zu beweisen, also halte ich meinen Mund, bin feige, aber wütend.
Die Mittagspause verbringen wir im gleichen Café wie beim letzten Mal, manche waren in der Gerichtskantine, in die man übrigens mit dem kompletten Gepäck eintreten darf. In der Kantine sind die Rucksäcke offensichtlich weniger gefährlich.
Um 13:14 Uhr geht es weiter. Der Staatsanwalt blafft sogleich wieder in Richtung Verteidigung, dass das Anwaltsteam ja immer komplett unpünktlich sei, dass die Verteidigung die Verhandlung nur verschleppen würde usw. Ich mache mir Sorgen um seinen rechten Daumen, ihm droht eine baldige Rhizarthrose, er kann nicht mehrfingrig sein Spielhandy bedienen, sondern nur mit dem rechten Daumen daddeln.
Die Butter vom Brot lässt sich das Anwaltsteam im weiteren Verlauf nicht mehr nehmen. Die durch einen grippalen Infekt angeschlagene und trotzdem erschienene RAin Wörmer weist eloquent die Anschuldigungen zurück, denn letztendlich weiß der Richter genau, wie lange die Anfahrt aus München, Köln oder dem Ruhrgebiet dauert. Man könnte netterweise den Beginn auch so terminieren, dass man nicht um kurz nach Mitternacht losfahren müsste. Für jeden Beobachter ist offensichtlich, dass das sinnfreie Selbstleseverfahren eher der Grund für Zeitverzögerungen ist und in mündlicher Verhandlung wäre man vermutlich schon viel weiter. Verschleppt wurde vorrangig wegen schlampiger bzw. gar nicht durchgeführter Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft vor Formulierung der Anklage, argumentiert RAin Wörmer. Verschleppung erfährt das Verfahren außerdem durch den willkürlichen Stopp der Beweisaufnahme von Amts wegen am 3. Mai durch das Gericht, als noch nicht einmal alle vorher benannten Zeugen gehört worden waren. Seither lädt die Verteidigung mühevoll die Zeugen im Selbstladeverfahren und der Richter sagt zumeist: will ich nicht hören, ich lasse nur Frage X oder Y zu, nicht aber Z, oder die Zeugen reisen an und reisen ungehört wieder ab. Anträge werden grundsätzlich nicht beschieden, sondern der Richter will sich erst im Urteil schriftlich zum Sachverhalt äußern.
Diesmal empfinde ich die Verteidigung wirklich stärker als vor einem Monat und wir erleben eine wortreiche Verteidigungsrede durch Dr. Miseré und eine erschütternde Schilderung der Haftbedingungen durch Reiner Fuellmich selbst. Der Richter versucht noch abzuwiegeln und dass die Haftbedingungen nicht Teil des Wirtschaftsstrafrechtsverfahrens sind, aber er wird einfach überstimmt von Dr. Miseré!
Es wird beantragt, die Haftfähigkeit und die Verhandlungsfähigkeit des Gefangenen sofort zu prüfen und die Hauptverhandlung zu unterbrechen. Der vorbereitete Beobachter hat ja bereits die letzten Veröffentlichungen der Aufklärer-Community und Reiner Fuellmich selbst in einem Telefondiktat gehört und ahnt, was man heute zu hören kriegt. Dr. Miseré beantragt die Aussetzung der Hauptverhandlung und die sofortige Hinzuziehung eines Gutachters, der Dr. Reiner Fuellmich in Bezug auf die Traumatisierung durch die politisch motivierte Isolationshaft mit katastrophalen Haft- und Transportbedingungen untersuchen soll. Niemals in seinem Anwaltsleben habe Dr. Miseré solche Schikanen bei einem Untersuchungshäftling in einem Wirtschaftsstrafverfahren erlebt, nicht einmal bei einem Verfahren von verfeindeten Rockerclubs in Mannheim mit Millionen-Streitwerten oder bei einem Terrorismus-Verfahren in Düsseldorf habe er solche Misshandlungen von Untersuchungshäftlingen erlebt. Seine Worte sitzen und der windelweiche und nuschelnde Richter Schindler kann hier seine bisherige Taktik des Aussitzens nicht mehr weiterspielen. Um 13:30 Uhr beginnt Reiner Fuellmich seine Schilderung, die der Richter nicht verhindern kann. Betreten schauen die Richterriege, die Schöffen und der Staatsanwalt während der nächsten 30 Minuten auf ihre Laptops, Fingernägel oder Handys. Aber den Worten von Reiner können sie nicht entfliehen. Im Zuschauerraum fließen zeitgleich Tränen der Rührung und der Wut.
Dr. Reiner Fuellmich wird sehr konkret und benennt die Straftäter im Amt mit Namen und Tätigkeitsfeld. Wir erfahren, dass er mittlerweile 4 Strafanzeigen gestellt hat gegen Mitarbeiter der JVA Rosdorf. Dr. Reiner Fuellmich schildert detailliert 3 Folter-Fälle von Häftlingen, die er hautnah miterlebt hat und er berichtet über seine eigenen Haftbedingungen. Er berichtet über seine Isolationshaft, seine Quasi-Abschottung von anderen Häftlingen, er darf nicht einmal Sport treiben und wenn er bei seiner Alleinrunde jemandem in einer anderen Zelle zuwinkt, dann wird derjenige anschließend bestraft. Mit Klarnamen benennt er Justizmitarbeiter. Der Name D. fällt häufig neben anderen, die ich nicht sicher wiederholen kann. Er ist wohl der stellvertretende Leiter der U-Haft, der besonders ungesetzlich agieren würde und für die absolut ungerechtfertigte Einzelinhaftierung verantwortlich zeichnen würde. Besonders traumatisch erlebt der Angeklagte die Transporte, bei denen er Handschellen, Fußfesseln und Bauchgurt angelegt kriegt und Sorge hat, dass er sich beim Stolpern die Handgelenke bricht, da ihm in dieser Fixierung jegliche Möglichkeit des Sturz-Abfangens genommen ist. Besonders demütigend ist die Anwesenheit von Beamten in kugelsicheren Westen mit Maschinengewehren im Anschlag zu seiner Bewachung bei der Überführung von Rosdorf zum Gericht und der vor jeder Fahrt erzwungenen Erklärung von ihm, dass er freiwillig keine schusssichere Weste trägt und dass er den Tod durch Kugelquerschläger in Kauf nimmt.
In den letzten 2 1/2 Wochen wurde die Folter durch die Justiz noch potenziert, indem ein Häftling, der eigentlich nichts im Gefängnis zu suchen hat, sondern in eine Psychiatrie gehört, unmittelbar in der Nachbar-Einzelzelle untergebracht wurde. Tagsüber schreit dieser ununterbrochen in verschiedenen Stimmlagen herum und nachts wummert er ohne Pause an die Stahltür und an die angrenzende Wand, die direkt an Reiners Zelle grenzt. Der Psychoterror durch Schlafentzug durch gezielte Unterbringung neben Reiner, ohne dem anderen effektive Hilfe zu geben, hat Reiners Kräfte sichtbar aufgezehrt. Trotzdem schildert er mit fester Stimme weiter, welche Perversitäten dieser Unmensch D., der von Beruf eigentlich Sozialarbeiter sei, sich im Amt leisten soll. Sicher ist seine Dienstzeit bald beendet und er wird selbst in Rosdorf oder anderswo seine Strafe absitzen, wenn das alles ans Licht kommt. Reiner Fuellmich schildert drei Fälle, die er in den letzten Wochen live erlebt hat. Einige waren schon durch Telefonstatements bekannt, andere waren heute erstmals öffentlich geworden. Er berichtet von einem Untersuchungshäftling namens K.R. aus Montenegro, den er zu einer Zeit, als er noch nicht in Einzelhaft gesperrt worden war, juristisch beraten hatte und der von anderen Gefängnisinsassen als Zigeuner gebranntmarkt und als geeignetes Opfer abgestempelt worden war. Obwohl dieser bereits Übergriffe befürchten musste, ergriff D. keine Maßnahmen zum Schutz des Häftlings. So war es nicht verwunderlich, dass K.R. im Verlauf von drei Häftlingen mit einer illegal ins Gefängnis gebrachten Glasflasche übelst zugerichtet und das Jochbein gebrochen wurde, was ohne Operation zum Verlust des Augenlichtes geführt hätte. Notdürftig versorgt wurde er mit liegenden Drainagen postoperativ vom vorübergehenden Krankenhausaufenthalt in die Haft zurückverlegt. Bei einem Besuch durch die Ehefrau, die Medikamente gegen die Schmerzen übergeben wollte, kam es zu einem Handgemenge, an dem mehrere Beamte beteiligt gewesen sein sollen und bei welchem dem bereits Verletzten erneut weitere Kopfverletzungen zugeführt worden sein sollen, diesmal aber nicht von Mithäftlingen, sondern von Justizvollzugsbeamten. Der Häftling ist mittlerweile woanders untergebracht worden und nicht einmal seine RAin Wörmer erfährt, wo bzw. ob er überhaupt noch lebt.
Weiter schildert Reiner den Fall eines besonders soziopathischen Gefängnismitarbeiters L., der ihn wiederholt zu Blutabnahmen zwingen wollte, ohne die Rechtsgrundlagen zu kennen; der quasi die Anwesenheit im Gefängnis als Freifahrtschein ansieht, dass man als Häftling widerspruchslos jede Körperverletzung (das ist auch eine Blutabnahme, in die der Betroffene nicht einwilligt) erdulden müsse. Es ging um einen Tbc-Fall, der wohl später offenbar wurde, nachdem er aus der Haft entlassen war und anschließend wohl einige Menschen angesteckt hat. Über neun Monate wollte man Reiner wohl wiederholt nötigen, Blut abzugeben, was dieser aber dankend ablehnte. Man kann über diese Maßnahmen unterschiedlicher Meinung sein. Ich selbst bin mit ähnlichen Kontaktnachverfolgungen in meinem Berufsleben mehrfach konfrontiert worden und empfinde sie mittlerweile auch als sinnfrei. „Sunlight is the best desinfectant“ ist ein Satz, den Reiner häufig nutzt und das trifft auch in diesem Fall zu: wer ein gutes Immunsystem hat, kommt mit allen Erregern gleich welchen Vornamen diese tragen, besser klar und die Testung von Asymptomatischen – also Gesunden – sollte mittlerweile jeder begriffen haben, ist SINNFREI. Reiner musste auf Grund seiner Weigerung, sich testen zu lassen, akzeptieren, dass er zweimal pro Woche auskultiert wird und eine Sauerstoffsättigung gemessen wird. Damit diagnostiziert man freilich keine Tuberkulose. Menschliche agierende Ärzte haben hinter vorgehaltener Hand diese Maßnahmen ebenfalls als sinnfrei eingestuft, wollen sich aber nicht öffentlich äußern, um nicht zu riskieren, ihren Beruf an den Nagel hängen zu müssen.

Weiter berichtet er über den afghanischen Gefangen A., dem eine Vergewaltigung vorgeworfen wird und den Reiner Fuellmich ebenfalls in Untersuchungshaft rechtlich beraten hat. Er habe seine Akten einsehen dürfen und festgestellt, dass die Belastungszeugin sich in Lügen verstrickt habe und dass der Fall wohl so nicht vorgefallen sein könne. Hier sei es wohl um viel Geld gegangen, was die Zeugin und damit angeblich geschädigte Frau von der vermögenden Familie des Herrn A. erzwingen wollte. Zum allerersten Mal erleben die Zuschauer einen völlig aufgelösten Reiner Fuellmich, der berichtet, wie ebendieser Angeklagte A. durch 15 Beamte anal missbraucht worden sein soll, dass Türen so gehalten worden sein sollen, dass die Kameras die Tat nicht erfassen konnten. Reiner Fuellmich habe aber das Resultat dieser Vergewaltigung gesehen und dann verstummte er für mindestens 10 Sekunden. Das ist ein so unglaublicher Vorfall, dass es auch vielen im Saal die Tränen in die Augen treibt. Natürlich nicht den Mitgliedern der Kammer oder gar dem Staatsanwalt.
Reiner Fuellmich schildert weiter seine unhaltbaren Haftbedingungen insbesondere die Transporte. Die Behandlung lässt sich in nur drei Worten zusammenfassen: Folter im Amt. Alles wegen drei Anzeigenerstattern (die Hafenanwälte), deren Wahrheitsgehalt der Anzeige nicht ermittelt wurde. Und die sich das Geld des Corona-Ausschusses unter den Nagel gerissen haben.
Um 14:00 Uhr hat Reiner Fuellmich ausgeredet. Die Kammer zieht sich für zwei Minuten zurück. Der Richter will die Verhandlung nicht unterbrechen. Vehement kündigt RA Miseré an, Strafanzeige zu stellen, wenn der Richter nicht reagiert. Er verlangt eine unverzügliche Begutachtung der Haft- und Verhandlungsfähigkeit von Reiner Fuellmich. Man hat den Eindruck, das blasse, ausdruckslose Gesicht des Richters verfärbt sich kurz. Die Kammer zieht sich zurück und die Hauptverhandlung wird um 14:34 Uhr unterbrochen.
Wir alle verlassen emotional stark mitgenommen das Gericht. An der Auslasskontrolle nehmen wir unsere Taschen und Rucksäcke wieder in Empfang. Der Zettel, den ich in der Mittagspause geschrieben habe und auf dem ich die Frage formuliere, wie es den JVA-Mitarbeitern gehen würde, wenn sie selbst bemerken würden, dass jemand sich an ihrem Gepäck zu schaffen gemacht hat und dann noch ein Verweis auf §1 Grundgesetz (Die Würde des Menschen ist unantastbar), liegt unverändert an der gleichen Stelle im Rucksack, wo ich ihn vor der Pause abgelegt hatte. Ich habe über die JVA-Mitarbeiter im Allgemeinen keine wertschätzende Meinung, da für mich in dieser Personengruppe mehrheitlich keine guten Menschen anzutreffen sind. Es ist eine Gruppe von Charakteren, die – sorry dafür – gern ihre Mitmenschen-unterdrückenden oder Domina-artigen Wesenszüge unter Staatsbezahlung ausleben. Ich kann meine Verachtung hierüber nur schwer in versöhnliche Worte fassen. Andrea Henning, die eifrigste Prozessbeobachterin und Basis-Mitgründerin hat in diesem Verfahren andere Beobachtungen gemacht und die will ich hier nicht verschweigen. Sie empfindet es als erstaunlich und begrüßt es sehr, dass wohl einzelne JVA-Mitarbeiter während der Verhandlungden Saal nicht als Bewacher des Angeklagten betreten, sondern mittlerweile aus echtem Interesse den Prozess verfolgen, während sie anfangs eher als komplett Desinteressierte ihre „Arbeit“ verrichteten. Sie empfindet das sogar als kleine Revolution gegen deren Arbeitgeber. Sie selbst empfindet die Eingangskontrolle während ihrer Rauchpausen vor der Gerichtseingangstür in den Verhandlungspausen als nicht drangsalierend, sondern als freundschaftlich.
Vor dem Gericht steht der Großteil der Prozessbeobachter noch eine weitere Stunde, um an der Ausfahrt noch einmal ein letztes Mal an diesem Tag dem gebeutelten Angeklagten Mut und Beistand zuzurufen und seine Freiheit einzufordern.

Ich bereue keine Sekunde, meinen Mittwoch zusammen mit meiner Mutter an diesem Ort verbracht zu haben. Es ist nur eine kleine Geste, eigene Solidarität durch Anwesenheit zu bekunden und es ist eine schmerzliche Erfahrung, wie wenig Menschen außerhalb der interessierten Blase sich überhaupt vorstellen können, was Alltag in deutschen Gerichten und Gefängnissen ist. Ich wünsche Reiner Fuellmich weiterhin die Kraft und Stärke, die er uns allen, die an ihn glauben, in den letzten 5 Jahren gegeben hat. Ich bin von seiner Unschuld überzeugt, egal, wie auch immer das Urteil lauten wird. Von diesem Gericht ist keine gerechte Rechtsprechung zu erwarten.
(Text und Fotos: Dagmar Schoeler/ Zeichnungen ©H.S.)
