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Wahl in Pankow

616 wählt „Weiter so“

Ich war zum ersten Mal Wahlbeobachter, hatte mich bei Wabeo.de registriert und in allerletzter Minute Informationen zu meiner Aufgabe per E-Mail erhalten, da meine Papierunterlagen mit der Post nicht rechtzeitig angekommen waren. So konnte ich mich belesen, was ich darf und was ich lassen soll, was das Gesetz sagt und was ich alles abhaken bzw. ausfüllen muss.

Ich gebe zu, ein wenig aufgeregt war ich schon, als ich 17:50 Uhr das Wahllokal erneut betrat, in dem ich zwei Stunden zuvor wählen war und mich da bereits über die unversiegelte Urne wunderte. Eine Dame vom Wahlvorstand versicherte mir, dass die Reste des Siegels „noch vom letzten Mal“ stammen und dass die Urne aber verschlossen sei und ich dies prüfen dürfe. Sie hatte Recht. Laut Gesetz muss eine Urne entweder verschlossen oder versiegelt sein, darf aber auch beides sein.

Kurz vor Schließung der Wahllokale tauchte ich also mit Klemmbrett, Stift und unzähligen Dokumenten bewaffnet wieder im Wahllokal 616 im Pankower Wahlbezirk 03 auf. Im Wahllokal befanden sich insgesamt elf Leute, davon acht vom Wahlvorstand und zwei Jugendliche in Warnwesten vom „Wahlteam“ (die als Wegweiser fungierten) und ich als einzige Beobachterin.

Pünktlich um 18 Uhr wurde das Wahllokal symbolisch geschlossen und anschließend die Auszählung umgehend eröffnet. Eine große Dame mit lockigem Haar wies mir einen Stuhl in der Ecke an, was ich freundlich lächelnd ignorierte.

Sie machte mich auch darauf aufmerksam, dass politische Bekundungen nicht erlaubt seien, und wies auf meinen „Ostermarsch 2024“-Button an meinem Rucksack, den ich daraufhin entfernte. Sie beäugte mich weiterhin skeptisch für den Rest des Abends.

Ich wusste, dass um 18 Uhr alle übrig gebliebenen, nicht ausgefüllten Stimmzettel in einem Müllsack vernichtet und aus dem Bereich der Auszählung entfernt werden müssen. Ich sah aber nur einen offenen Pappkarton, in dem diese Stimmzettel lagen. Das war ein Verstoß gegen die Vorschrift. Ich beschloss, den Karton im Auge zu behalten.

Mein Wahllokal hatte 430 gemeldete Urnengänger, wovon 403 ihr Wahlrecht wahrnahmen. Es gab keinen einzigen ungültigen Wahlzettel.

Das Auszählen ging sehr zügig und koordiniert voran. „Zählfinger“ – kleine genoppte Gummikappen auf den Fingern – erleichterten das Blättern durch die Zettel. Alles wurde doppelt und dreifach gezählt und kontrolliert, alle gezählten Ergebnisse stimmten mit den errechneten überein. Großes Aufatmen, kein erneutes Zählen nötig.

Ich monierte gleich zu Beginn, dass Kugelschreiber auf den Auszähltischen zwischen den Wahlzetteln lagen. Das ist strengstens verboten, kann man so doch schnell und unbemerkt einen Wahlzettel ungültig machen, wenn man wöllte. Die Wahlvorsteherin gab mir Recht und veranlasste, dass die Kugelschreiber weggeräumt werden. Immer wieder nahmen jedoch andere Auszähler und sie selbst einen Kugelschreiber in die Hand, sodass immer wieder Stifte zwischen den Zetteln landeten. Ein kurzes Anstupsen und Getuschel, begleitet mit einem verstohlenen Blick in meine Richtung, und derjenige legte den Kugelschreiber wieder weg. Mit den Kulis wurden die Parteien und Zählergebnisse auf kleine Haft-Notizzettel geschrieben. Diese wurden auf die jeweiligen Stapel geklebt. Die Stapel der Grünen und der Linken waren mit Abstand die höchsten.

Mittlerweile war das benachbarte Wahllokal längst fertig mit der Auszählung und schloss seine Türen. Während ich mir fleißig Notizen machte und in den Rechtshinweisen las, sprach mich die große, lockige Dame erneut an: „Man hat ja schon das Gefühl, dass sie uns nicht trauen.“ „Das bilden Sie sich ein“, erwiderte ich freundlich. Sie wunderte sich noch, dass ich als Privatperson meine Freizeit opfere und forderte mich auf, doch beim nächsten Mal Wahlhelfer zu sein. Ungläubig wurde ich von weiteren Wahlvorständen gefragt, ob ich wirklich aus privatem Interesse hier sei. Den zwei „Wahlteam“-Mädchen, die vermehrt auf meine vielen Zettel schielten, erzählte ich noch, dass ich für einen jungen Wahlbeobachtungsverein hier bin und ich das spannend finde.

Als ich nach einer Stunde durch den Raum ging, fiel mir auf, dass der Karton mit den jungfräulichen Wahlzetteln verschwunden war. Die bereits erwähnte Dame fragte mich, wonach ich denn suchen würde. Eine andere Wahlhelferin gab mir zu verstehen, dass die leeren Zettel mittlerweile bei ihr „in der Ecke sicher verwahrt“ werden. Ich hatte leider den Transport der Zettel einmal quer durch den Raum während des emsigen Treibens nicht mitbekommen und konnte ihre Aussage zum Aufbewahrungsort auch nicht überprüfen.

Nach einer weiteren Stunde gab die Vorsteherin am Telefon die Wahlergebnisse durch. Leider war das für mich nicht verständlich, da sie zusammenhanglos nur Ziffern in den Hörer diktierte. Ich wusste nicht, von welcher Stimme und welcher Partei sie sprach. Ich wusste aber, dass ich das Recht habe, diese Zahlen zu erfahren. Ich stellte mich dicht neben sie und versuchte vergebens, das vor ihr liegende Blatt zu enträtseln. Zum Glück wiederholte eine Frau anschließend für alle Anwesenden die Wahlergebnisse.

Um 20:07 Uhr verließ ich mit einem lauten Gruß das Lokal und dankte allen Anwesenden für die gute Arbeit.

Mein Fazit:

Wahlbeobachtung müsste noch viel üblicher werden. Trotz meines äußerst freundlichen Auftretens zitterten die Hände der Auszähler teilweise vor Aufregung, denn sie waren sich meiner Kontrolle bewusst. Jedes Wahllokal sollte Wahlbeobachter haben – es ist wirklich nicht schwierig und dank Wabeo war ich gut vorbereitet. Vielleicht schaffen wir es ja zur nächsten Wahl, mehr zu werden?


Text und Fotos: Annette B.