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Pankow gegen Verdrängung

Besuch bei der Mieterinitiative

Nach eigener Aussage ist „Pankow gegen Verdrängung… eine Mieter*innen-Initiative in Neugründung. Die Mieter*innen haben sich als Reaktion auf die auslaufende Sozialbindung im Bezirk zusammengetan, damit die betroffenen Häuser und Mieter*innen nicht allein gegen Eigenbedarfskündigungen und Mieterhöhungen kämpfen müssen. Sie organisieren den Protest und öffentliche Veranstaltungen im Bezirk.“ (Gendersternchen im Original) 1)

Am Freitag, den 15.März 2024, haben wir den Krisengipfel zu den auslaufenden Sozialbindungen in Pankow besucht.

Zum Verständnis: Mit dem Auslauf der Bindung drohen Mieterhöhungen bis zu 50 % und sogenannte Eigenbedarfskündigungen für tausende Mieter.

Die Veranstaltung wurde von der Initiative „Pankow gegen Verdrängung“ organisiert und der Bezirksstadtrat hat die Räumlichkeiten im Bezirksamt Pankow in der Fröbelstr. zur Verfügung gestellt.

Zu Beginn trafen sich ca. 200 Interessenten, darunter viele von der auslaufenden Sozialbindung betroffene Mieter, im großen Saal der Bezirksverordnetenversammlung. Im Podium saßen Cornelius Bechtler (Bündnis 90/Grüne), Bezirksstadtrat Stadtentwicklung, Stephan Machulik, Staatssekretär für Wohnen und Mieterschutz, Dr. Ulrike Hamann-Onnertz vom Berliner Mieterverein e. V. und Mieterinnen der Initiative „Pankow gegen Verdrängung“. Letztere berichteten teilweise sehr emotional von ihren eigenen Erfahrungen durch die drohende Verdrängung in ihren Wohnungen. Um sich dagegen zu wehren und ihre Häuser zu retten, taten sie sich zu o. g. Initiative zusammen.

Die Forderungen an die Politik lauten:

  • Die soziale Mischung im Bezirk muss erhalten werden!
  • Keine Profite mit unseren Wohnungen!
  • Die Politik muss eine Lösung finden und eine Gesamtstrategie entwickeln!
  • Einen Härtefallfond für finanziell schwache Mieter!
  • Ein Verbot von Eigenbedarfskündigungen!
  • Kontrolle und Durchsetzung der bestehenden gesetzlichen Pflichten der Vermieter!
  • Die gemeinsame Erarbeitung verbindlicher Lösungen mit den Vermietern!
  • Ein Pilotprojekt für die Kommunalisierung betroffener Wohnungen!
  • Ein Krisengipfel der gemeinsam mit den betroffenen Mietern Lösungen erarbeitet!

Im Anschluss an die Eröffnungsveranstaltung gab es drei Arbeitsgruppen, die von den jeweiligen Interessenten besucht werden konnten.

  1. AG Schutz vor Eigenbedarfskündigungen und Zweckentfremdung
  2. AG Gemeinwohlorientierter Ankauf
  3. AG Dauerhafte/Auslaufende Sozialbindungen

Zu 1. AG Schutz vor Eigenbedarfskündigungen und Zweckentfremdung

Es waren ca. 60 Teilnehmer in dieser Gruppe, darunter zwei Fachanwälte, drei Mitarbeiter der Senatsverwaltung, Herr Bechtler (Bezirksstadtrat) und Frau Canan Bayram (MDB, Bündnis 90/Grüne).

Die Mieterinnen der Initiative „Pankow gegen Verdrängung“ und die Anwälte legten zu Beginn erstmal dar, was Eigenbedarf bedeutet und dass zu 50 % der Eigenbedarfskündigungen falsch sind, so der Wohnraum zweckentfremdet genutzt wird z. B. als Ferienwohnungen oder für möbliertes Wohnen (ca.31 €/m²). Es kommt sogar zu Leerstand z,B. Raumerstr. 33 seit 25 Jahren.

Die geladenen Gäste warfen sich gegenseitig immer wieder den Ball der Verantwortlichkeiten zu. Bei den Forderungen der Initiatoren, welche den verschiedenen Ebenen (Bezirk, Senat und Bund) Wochen zuvor zugesandt wurden, kam es zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. Eine Prüfstelle zur Recherche, ob der Vermieter tatsächlich Eigenbedarf vorweisen kann, die Erstellung eines Registers, um Grundbucheinträge einzusehen, sowie eine 1.Anlaufstelle als Mieterberatung im Bezirk können aus Mangel an Räumlichkeiten, finanziellen Mitteln und Personalmangel vorerst nicht umgesetzt werden. Auch Datenschutzrechtliche Gründe wurden angegeben.

Die Fachanwältin Frau Handwerg gab zu verstehen, dass es einige Mieterberatungen von den verschiedenen Mietervereinen gibt und sie selbst ehrenamtlich eine Mieterberatung in einem Kiezladen anbietet, dessen Existenz wegen hoher Erhaltungskosten bedroht ist. Zurzeit geben die Beratenen eine Spende für die Raummiete, aber das könnte auch vom Bezirk/Land übernommen werden.

Frau Bayram verspricht die Anliegen der Initiative an den wissenschaftlichen Beirat im Bundestag heranzutragen und auch Herr Bechtler will sich für die genannten Forderungen einsetzen, kann aber nichts versprechen. Die Mitarbeiter des Senates gaben zu verstehen, dass sie nur ausführendes Personal sind und keine politischen Entscheidungen treffen können. Klar ist, dass es bereits Mieterfreundliche Gesetze gibt, nur an der Umsetzung zum Schutze der Mieter fehlt es.

Da das Ergebnis dieser AG wenig zufriedenstellend war, wurde eine Fortsetzung der Gespräche bei einer Folgeveranstaltung vereinbart.

Zu 2. AG Gemeinwohlorientierter Ankauf in Berlin

In dieser AG waren ca. 35 TN anwesend.

Grundinformationen:

Immobilienbestand nach Eigentümern laut Erhebung der Initiative

– 31 % Private

– 26 % Finanzkonzerne

– 16 % Wohnungseigentum

– 14 % Landeseigen

– 13 % Genossenschaften

Ankauf über Genossenschaften

Beispiele:

1. Genossenschaft Bremer Höhe: in den letzten 5 Jahren fünf

Häuser gekauft über das Land Berlin (hat Vorkaufsrecht

geltend gemacht)

2. Ostesseeplatz Genossenschaft: hat ebenfalls in den

letzten Jahren eine Reihe von Häusern über das Land gekauft

Ankauf über Vereine in Verbindung mit GmbHs

3. Mietshäusersyndikat Hamburg bzw. WEG-Damit GmbH

Konstruktion: zwei (gemeinnützige) Vereine gründen GmbH (für ein

oder mehrere Projekte) mit gleichem Anteil und jeweiligen Vetorecht

in den wichtigen Fragen (insbes. Ankauf und Verkauf)

Sowohl für ganze Mietshäuser als auch neuerdings für einzelne

Wohnungen (WEG-Damit GmbH)

Vermittlung von Immobilien an gemeinwohlorientierte Immobilien-Institutionen

Beispiel:

GIMA – genossenschaftliche Immobilienagentur

Sucht Häuser/Immobilien für Genossenschaften bzw. vermittelt

zwischen potenziellen Verkäufern und Käuferinstitutionen

Finanzierung / Förderung

• Fördermittel vom Bund (KfW)

• Fördermittel vom Land (IBB)

• Crowdfunding

• später für Genossenschaften: z.B. Ausgabe von Anleihen

• Spenden

• Rest über Banken

Zu 3. AG Dauerhafte/Auslaufende Sozialbindungen

In dieser AG wurden mögliche Maßnahmen zum Schutz vor Verdrängung durch die auslaufenden Sozialbindungen mit Vertretern der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und der Politik diskutiert.

Zu den Maßnahmen der aktuellen Wohnungspolitik gehören staatliche Fördermittel wie z. B. Mieten mit WBS. Entscheidet sich ein Vermieter, Wohnungen mit WBS zu vermieten, erhält er dafür staatliche Fördergelder und verpflichtet sich im Gegenzug die Wohnung für eine festgelegte Dauer zur Kostenmiete zu vermieten. Jedoch ist dies keine Lösung für eine dauerhafte Sozialbindung, da laut einem BGH-Urteil die Vermieter nicht verpflichtet sind, Sozialwohnungen auf unbefristete Zeit günstig anzubieten, auch wenn diese öffentlich gefördert wurden.

In der AG wurden noch weitere Möglichkeiten zur Schaffung von sozialgebundenen Wohnungen erörtert, jedoch ist das ernüchternde Ergebnis, dass es in Berlin zurzeit keine Lösung für dauerhafte Sozialbindungen gibt. Mittelfristig könnte es jedoch eine Perspektive geben: Die im Koalitionsvertrag von SPD, Grüne und FDP beschlossene Wohngemeinnützigkeit sieht vor, geförderte Wohnungen für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zu schaffen, die auf Dauer unterhalb der ortsüblichen Miete liegen. Der ebenfalls in der AG anwesende SPD-Politiker Klaus-Mindrup sieht jedoch keinen politischen Willen, dass die Wohngemeinnützigkeit tatsächlich eingeführt wird.

Fazit: Ziel der Initiative „Pankow gegen Verdrängung“ war es, dass die AGs auf dem Krisengipfel konkrete Lösungen für die betroffenen Pankower Mieter und Mieterinnen erarbeiten. Allerdings mussten sie feststellen, dass ihre Hoffnung sich nicht erfüllt hat. Zudem ist es für sie eine desillusionierende Erfahrung, zwischen den Zuständigkeiten aufgerieben zu werden: die Pankower Bezirksverordnetenversammlung verweist auf das Land Berlin, welches wiederum ihre Möglichkeiten limitiert sieht und deshalb im Bund oder sogar in der EU die eigentliche gesetzgebende Instanz sieht.

Wir waren für euch vor Ort: Wencke, Jörg und Sylle


Persönliches Statement Jörg:

Ich finde aber, dass das Ganze hier von allen Beteiligten der Veranstaltung sehr einseitig betrachtet wurde. Hier wurde komplett unter den Tisch gekehrt, dass die Politik zu dem weitaus überwiegenden Teil an dem Dilemma schuld ist und durch z.B. den Verkauf riesiger Wohnungsbestände der Stadt und fehlende Förderung im Investitionsbereich (z.B. Bauförderung oder Ausschreibung entsprechender Bauflächen) versäumt hat für ausreichenden Neubau zu sorgen. Wenn es genügend Wohnungen gäbe, könnten die Vermieter auch nicht so viel Geld fordern, da gar nicht genug Mietinteressenten da wären, die bereit wären solche Mieten zu zahlen. (So war das übrigens lange Jahre auch).

Durch den Abverkauf der Bestände der Stadt wurde dem Markt ein riesiger Anteil von Wohnungen für sozial schwache Mieter entzogen.
In meinen Augen ist auch das Eigentum z.B. an einer Eigentumswohnung ein Teil der Lösung und nicht nur die hier genannten Ansätze (die ich übrigens sehr begrüße).

Ich habe den Eindruck gewonnen, dass aus Sicht der Initiatoren nur die privaten Vermieter (ob Einzeleigentümer oder große Gesellschaften) das Problem darstellen. Das sehe ich persönlich vollkommen anders. Aus meiner Sicht müsste sich die Politik ändern u.a. mehr Fördermittel für alternative Wohnungsbaulösungen bereitstellen.


Anmerkung:

1) https://netzwerk-selbsthilfe.de/projekt/2023/initiative-pankow-gegen-verdraengung-215/